Wir schmecken, was wir riechen – Wie Geschmack entsteht
Jeder, der schon einmal richtig verschnupft war, kennt das Problem: Wenn die Nase und die Nasennebenhöhlen zu sind, ist auch der Geschmackssinn stark beeinträchtigt. Tatsächlich können wir dann nämlich nur noch über die Zunge schmecken. Die Geschmackswahrnehmung hängt jedoch zu einem großen Teil von unserem Riechzentrum ab – genauer gesagt vom retronasalen Riechen.
Orthonasales und retronasales Riechen
Retronasales Riechen – was ist das? Kurz erklärt: es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten, wie wir Aroma und Duft in der Luft wahrnehmen:
Was passiert, wenn wir schmecken?
Wenn wir Nahrungsmittel zu uns nehmen, passieren im Grunde zwei Dinge gleichzeitig: Zum einen nimmt unsere Zunge mit den Geschmacksrezeptoren die Geschmacksrichtungen süß, sauer, salzig, bitter und umami (herzhaft) wahr und gibt die Information an das Gehirn weiter. Zum anderen wandern die Duftstoffe aus dem Nahrungsmittel über den Rachenraum zu unserem Riechzentrum. Dieses erkennt, woher der Duft stammt und gibt die von den Zehn Millionen Geruchssinneszellen gesammelten Informationen ebenfalls an das Gehirn weiter. Dort werden die über das olfaktorische Zentrum wahrgenommenen Duftaromen und die Informationen der Zunge zu einem gesamten Geschmacksempfinden zusammengesetzt. Die „gerochenen“ Aromen machen dabei je nach Lebensmittel etwa 80 Prozent des Geschmacksempfindens aus.
Wie bildet sich unser Geschmackssinn?
Einer der bekanntesten „Geschmacksforscher“ ist Gordon M. Shepherd von der Yale School of Medicine. In seinem Bestseller „Neurogastronomy“ beschreibt Shepherd sehr lesenswert und anschaulich, wie der menschliche Geschmackssinn sich evolutionär entwickelte. Kurz zusammengefasst lässt sich Folgendes feststellen: Das Schmecken hat einen wesentlichen Einfluss auf unsere Ernährung. Saure Komponenten lassen beispielsweise darauf schließen, dass die Nahrung unreif oder verdorben ist. Süßes hingegen steckt oft voller Kohlenhydrate und liefert wertvolle Energie und Bitteres weist auf etwas Giftiges hin.
Aber auch der Geruchssinn spielte für unsere Vorfahren aber eine ebenso große Rolle. So war er entscheidend für die Wahl des Partners, die Früherkennung von Feinden oder auch für die Jagd. Aus diesem Grund entwickelten sich sowohl der Geschmacks- als auch der Geruchssinn evolutionär schon sehr früh weiter. Im Laufe der Zeit gewann die sprachliche Kommunikation sowie das Sehen erheblich an Bedeutung für den Menschen und das Riechvermögen trat mehr in den Hintergrund.
Ein Beweis dafür, dass unser Geschmackssinn mit seinen olfaktorischen Feinheiten schon für unsere frühen Vorfahren von großer Bedeutung war, zeigt zum Beispiel die Reise von Christopher Columbus, der 1492 nur lossegelte, weil er Gewürze und Aromen suchte. Uns Menschen treiben kurz gesagt einfach unsere Gene – hin zu gutem Geschmack, zu vollem Aroma und damit auch in die (zumindest damals noch) „Neue Welt“.
Wasser mit Geschmack – wie wir das retronasale Riechen nutzen können
Bis heute sind die genauen Abläufe der Geschmackswahrnehmung noch nicht komplett erforscht und stellen deshalb ein spannendes Feld für Wissenschaft und Industrie dar. Vor allem die Lebensmittelbranche erhofft sich durch den biologischen Effekt des retronasalen Riechens neuartige Weiterentwicklungen von Nahrungsmitteln.
Ein praktisches Beispiel stellt die innovative Trinkflasche von air up dar, die seit dem Sommer 2019 auf dem Markt ist. Fabian Schlang und seine Mitgründer haben eine Flasche entwickelt, die Trinkwasser nur mit Hilfe von Duft aromatisieren kann. Beim Trinken aus der Flasche wird purem Wasser beduftete Luft in Form von kleinen Luftbläschen beigefügt. Diese Luft steigt am Rachenraum zum Riechzentrum auf und unser Gehirn schreibt die Information dem Geschmack des Wassers zu. Das Wasser wird geschluckt und bleibt Wasser – ganz ohne Zucker oder künstliche Zusatzstoffe . Für den Trinkenden fühlt es sich jedoch an, als würde das Wasser fruchtig schmecken.
Im August 2019 brachte das Münchner Startup seine ersten Flaschen auf den Markt unter anderem mithilfe der bekannten Investoren Frank Thelen und Ralf Dümmel. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen etwa 30 Mitarbeiter und vertreibt sein Produkt in über 5000 Supermärkten deutschlandweit und über den eigenen Onlineshop.
Infused Water – Wie lässt sich Wasser aromatisieren
Wer sich nicht extra eine air up-Flasche kaufen will, aber trotzdem geschmackvolles und gesundes Wasser trinken möchte, der kann einfach Früchte, Gemüse oder Kräuter in sein Wasser mischen. Die Zutaten geben Aromen ab und animieren damit mehr zu trinken. Bei manchen Zutaten hat man außerdem noch den tollen Nebeneffekt, dass auch wichtige Nährstoffe wie zum Beispiel Vitamine der B-Gruppe aus Himbeeren mit in das Wasser gelangen.
NDR Visite: „Infused Water: Wie gesund ist Wasser mit Geschmack?“
Infused Water Rezepte – Gesundes Wasser mit Geschmack
Besonders beliebt sind Kombinationen mit Zitrone, Limetten und Ingwer. Aber auch Beeren, Äpfel oder Kräuter wie Minze eignen sich hervorragend für die natürliche Aromatisierung von Getränken, da sie den Geschmack gut in das Wasser abgeben. Wer viel Obst für maximalen Geschmack verwendet, muss sich jedoch bewusst sein, dass auch Fruchtzucker vom Körper aufgenommen wird. Außerdem sollte man bei der Wahl der Zutaten unbedingt auf Bio-Qualität achten, da sonst die Gefahr besteht, dass das Wasser nicht nur mit Nährstoffen und Geschmack, sondern auch mit auf der Schale befindlichen Pestiziden angereichert wird.