Die Praxisgebühr der gesetzlichen Krankenkassen

Seit 2004 mussten gesetzlich Versicherte ab dem 18. Lebensjahr einmal im Quartal beim Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten und kassenärztlichen Notdienst eine pauschale Zuzahlung von 10 Euro leisten. Für einige Personen war eine Befreiung möglich.

Arztpraxis

Die damalige Regierung hoffte, dass Patienten so seltener zum Arzt gehen. Da dieser Effekt nicht eintrat, wurde die Praxisgebühr zum 01. Januar 2013 wieder abgeschafft.

Die Praxisgebühr wurde im Zuge der Gesundheitsreform am 1. Juli 2004 von der Bundesregierung eingeführt, um eine neue Einkommensquelle für die gesetzliche Krankenversicherung zu schaffen.

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InformationLängerfristig sollte die Praxisgebühr die Eigenverantwortung und das Kostenbewusstsein der Versicherten fördern, etwa indem Arztbesuche bei gesundheitlichen Bagatellen (beispielsweise leichte Schrammen) vermieden und „Selbstüberweisungen“ zu Fachärzten unterbunden werden.

Studien haben jedoch gezeigt, dass die Praxisgebühr kaum Einfluss auf die Arztbesuche der Patienten hatte. Rechtlich gesehen handelte es sich bei der Praxisgebühr um ein ärztliches Einkommen.

Tatsächlich machte der Mediziner mithilfe der Gebühr aber keinerlei Gewinn, da die Summe vollständig mit den Honoraren des Arztes verrechnet wurde.

Abschaffung der Praxisgebühr in 2013

Mitte Dezember 2012 stimmte der Bundesrat der Abschaffung der Praxisgebühr zum 01. Januar 2013 zu. Mit diesem Entschluss sollten die Patienten entastet und der bürokratische Aufwand in Arzt- und Zahnarztpraxen sowie Notfallambulanzen gemildert werden. Die Streichung der Praxisgebühr ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass die Pauschalabgabe ihre Aufgabe deutlich verfehlt hat. Statt der erwarteten Senkung der Arztbesuche stieg die Zahl der Konsultationen zeitweise sogar an.

arzt

Überweisungsschein zum Facharzt kann entfallen

Durch die Abschaffung der Praxisgebühr entfällt für Versicherte zusätzlich der zwangsläufige Gang zum Hausarzt, um einen Facharzt besuchen zu können. So zumindest wird es vielerorts deklariert. Dem ist jedoch nicht in jedem Fall so. Das Ausstellen einer Überweisung ist im Bundesmantelvertrag der Ärzte geregelt. Die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) beschreibt den Hausarzt folglich als eine Art Lotsen und die erste Anlaufstelle für Patienten. Damit ist neben einem besseren Informationsfluss auch eine optimalere Versorgung gewährleistet. Ein Überweisungsschein zum Facharzt sollte also in jedem Fall durch die Hausarztpraxis ausgestellt werden. Fachärzte, wie beispielsweise Gynäkologen können jedoch auch ohne eine Überweisung aufgesucht werden. Dies gilt unter anderem auch für Augen- und Zahnheilkunde, sowie die Notfallbehandlung.

Gesetzliche Verpflichtung zur Zahlung

Grundsätzlich waren alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zur Zahlung der Praxisgebühr verpflichtet, die eine ambulante, zahnärztliche sowie psychotherapeutische Behandlung in Anspruch genommen haben und diese Leistung von der Krankenversicherung erbracht wurde. Seit dem 30. April 2009 galt die Praxisgebühr auch für Beamte in der gesetzlichen Krankenkasse. Dabei wurde die Gebühr direkt von der Beihilfe abgezogen.

Die Praxisgebühr musste grundsätzlich einmal, beim ersten Arztbesuch direkt in der Arztpraxis im jeweiligen Quartal (drei Monate), gezahlt werden. Lag ein gültiger Überweisungsschein vor, wurde für weitere notwendige ärztliche Behandlungen im selben Quartal keine weitere Gebühr erhoben. Eine Überweisung galt nur für Ärzte derselben Behandlungsklasse. Dies konnten sein: Niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Notdienste. Eine gebührenfreie Überweisung von Hausarzt zu Zahnarzt oder Notdienst zu Hausarzt war daher nicht möglich.

Verweigerung der Praxisgebühr-Zahlung

Wollte ein Versicherter die Zahlung der Praxisgebühr verweigern, konnte der Arzt die Behandlung ablehnen – es sei denn, es handelte sich um einen Notfall. Zahlte jedoch ein bereits behandelter Patient die Praxisgebühr nicht, wurde eine Mahngebühr von vier Euro fällig.

Regelungen zur Praxisgebühr beim Zahnarzt

Zahnarzt

Zahnärztliche Kontrolluntersuchungen waren von der Praxisgebühr ausgenommen. Diese Regelung bezog sich nicht nur auf die herkömmliche Zahnprophylaxe sondern auch auf die Nachkontrolle im Anschluss an eine Behandlung (z.B. nach Einsatz einer Brücke). Unter Umständen konnte der Zahnarzt im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung präventive Leistungen, wie eine Zahnsteinentfernung, vornehmen, ohne dass dafür eine Praxisgebühr notwendig wurde. Wurde für solche Maßnahmen jedoch ein neuer Behandlungsstermin erforderlich, musste die Gebühr beim kommenden Termin entrichtet werden.

Zahlungspflicht im medizinischen Notfall

KrankenhausWie bei der herkömmlichen ärztlichen Behandlung galt auch bei ärztlichen Notfallbehandlungen (Ärztlicher Notfalldienst, Notfallambulanz im Krankenhaus, Notfallbehandlung in der Praxis), dass die Praxisgebühr einmal im Quartal gezahlt werden musste. Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Ärztlichen Notfalldienstes im entsprechenden Quartal musste keine erneute Zahlung getätigt werden, sofern eine Quittung – mit dem Stempel des Ärztlichen Notfalldienstes oder handschriftlichem Eintrag „Notfall“ – vorgelegt wurde. Diese Quittung galt auch für jede weitere Inanspruchnahme von Notfallambulanzen im Krankenhaus beziehungsweise eine ausgestellte Quittung in der Notfallambulanz des Krankenhauses galt auch im Ärztlichen Notfalldienst oder im Notfall.

Gleichzeitige Inanspruchnahme

Wurden die Nofallversorgung und die ambulante Regelversorgung gleichzeitig in Anspruch genommen, musste der Versicherte für beide Leistungen, das heißt insgesamt 20 Euro, zahlen.

Möglichkeiten zur Zahlungsbefreiung

Folgende Personen waren von der Praxisgebühr befreit:

Auch für bestimmte Vorsorgeuntersuchungen war keine Praxisgebühr notwendig. Darunter fielen die Befunderhebung (Anamnese), die Untersuchung nach den Vorgaben der entsprechenden Richtlinien, die Mitteilung der erhobenen Befunde sowie die entsprechende Beratung der Patienten. Die Befreiung von der Praxisgebühr bezog sich auf die folgenden Untersuchungen:

  • Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft
  • zwei Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt, sofern sich keine Behandlung anschließt
  • Krebsfrüherkennungsuntersuchungen für Frauen und Männer
  • Gesundheits-Check ab dem 35. Lebensjahr (alle zwei Jahre für gesetzlich Krankenversicherte)
  • Schutzimpfungen – insbesondere gegen Kinderlähmung, Diphtherie, Tetanus, Mumps, Masern, Röteln, Keuchhusten, Influenza, Hirnhauterreger (keine Reiseprophylaxe)

Die Befreiung von der Praxisgebühr galt nicht, sofern aufgrund des Befundes weitere Diagnosen oder Therapiemaßnahmen notwendig wurden. In diesem Fall musste der Versicherte wie herkömmlich zehn Euro an den Hausarzt zahlen und sich die entsprechenden Überweisungen ausstellen lassen.

EuroDa die Praxisgebühr nicht als Kassenbeitrag, sondern rechtlich als Vorsorgeaufwendung zu bewerten war, handelte es sich bei der Gebühr um außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG. Somit war die Praxisgebühr steuerlich absetzbar (Verfügung der OFD Frankfurt vom 15.11.2004, DB 2004 S. 2782). Steuermindernd war die Praxisgebühr allerdings nur, sofern die Summe der außergewöhnlichen Belastungen die zumutbare Belastung des Versicherten überschritt.

Statistiken beweisen: Das eigentliche Ziel der Praxisgebühr, unnötige Arztbesuche zu vermeiden und das Kostenbewusstsein der Versicherten zu steigern, wurde verfehlt. Daher und wegen der guten finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenkassen wurde die Abschaffung der Gebührschließlich durchgesetzt. Auch viele Ärzte stellten sich gegen die Praxisgebühr, da sie dem Vertrauenverhältnis zwischen Arzt und Patienten schade.