Lipödem – Ursachen, Symptome und Behandlung

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kkz symbolAktualisierung: 10.07.2020

Hochrechnungen zufolge leiden in Deutsch­land etwa 4 Millionen Frauen an der Erkran­kung Lipödem, die sich durch schwam­mige und verdickte, schwere Beine und auch Arme, Schmerzen und starke Häma­tomneigung äußert: etwa jede zehnte Frau ist betroffen. Dadurch dass die Erkran­­kung noch wenig bekannt ist, haben viele Betroffene allerdings keine Diagnose. Auch viele Ärzte (er)kennen die Erkran­kung nicht. So erfolgen Diagnosen häufig erst nach Jahrzehnten oder bleiben ganz aus. Statt­dessen hören Lipödem-Betroffene bei Ärzten häufig: „Nehmen Sie ab“ oder „Machen Sie mehr Sport.“ Doch was genau ist ein Lipödem? Woran erkenne ich es? Und wie grenze ich es von anderen Er­krankungen ab? Was sind Ursachen, typische Begleiterkran­kungen und hilfreiche Therapien und Strategien, die Linderung bringen oder das Fortschreiten aufhalten können?

Lipödem – Was ist das?

Ein Lipödem ist eine chronische und meist sehr schmerzhafte Störung der Fettverteilung bzw. Fettvermehrung. Üblicherweise sammelt sich zunächst an den Oberschenkeln und Knien, schließ­lich auch an den Unter­schen­keln und in einigen Fällen an den Armen sowie an anderen Körper­stellen Fett an. Im internationalen Klassi­fizierungs­system (ICD 10) ist das Lipödem unter Stoff­wechsel­­störungen aufgeführt.

Die drei Stadien unterscheiden sich in erster Linie durch die Struktur von Hautoberfläche und Un­terhaut: von glatt über knotig bis überhängend wulstig, höhere Stadien gehen allerdings auch in den meisten Fällen mit stark vergrößerten Umfängen der betroffenen Stellen einher.

Je nach betroffenen Körperstellen werden Lipödem-Erkrankungen auch in mehrere Typen ein­ge­teilt: Da verschiedene Typen­modelle verwendet werden und auch Mischtypen bestehen, werden heute häufig die betroffenen Stellen benannt (z.B. Ober­schenkel, Ganzbein, Unterschenkel, Ganz­arm, Oberarm, Unterarm, seltener auch Unterbauch, Nacken, Kinn).

Lipödem – Wie verändert sich das Fettgewebe?

Fettgewebsvermehrung und Gewichts­zu­nahme sind hormonell und genetisch bedingt und treten meist plötzlich und häufig trotz gleichbleibender Ernährung auf. Die Erkran­kung schreitet bei unzu­reichender Behand­lung typischerweise fort; das Gewebe wird zunehmender empfindlicher gegen­über Druck­schmerz. Die Vermehrung des Unter­haut­fettgewebes resultiert aus einer Hyper­trophie (Ver­größerung der Fettzellen) und Hyper­plasie (Vermehrung der Fettzellen). Die Gefäße, ins­be­son­dere die Kapillare, sind durch­lässiger als bei gesunden Menschen. Dadurch gelangt Flüssig­keit leicht ins bean­spruchte Binde- und Stützgewebe, was auch die verstärkte Neigung zu Häma­tomen erklärt.

Lia Lindmann
Lia LindmannExpertin für das Thema Lipödem

Dieser Artikel wurde in Zusam­men­­arbeit mit Lia Lindmann verfasst. Lia Lindmann ist selbst Betroffene und Autorin des Ratgebers „Leichter leben mit Lipödem“, der 2020 erschien.

Was unterscheidet Lipödem-Fett von normalem Fettgewebe?

Fibrosen
Lipödem-Fett enthält Flüssigkeit und sogenannte Fibrosen. Das sind krankhafte, knubbelige Vermehrungen von Gewebe im Bereich zwischen den Zellen (extrazelluläre Matrix).

Makrophagen
Die Riesenfresszellen des Immunsystems sind vermehrt im Fett von Lipödem-Patienten zu finden.

Geringe Konzentration von Aromatase
Aromatase ist ein Enzym, das die körper­eigene Östrogenbiosynthese beeinflusst. Durch die geringe Konzen­tration dieses Enzyms kommt es zu einem hormonellen Ungleich­gewicht, welches die Stoff­wechsel­störung aufrecht erhält.

Erhöhter Interleukin-8-Wert
Der körpereigene Botenstoff wird bei einem Lipödem vermehrt ausgeschüttet und deutet auf ein chronisches Entzündungsgeschehen im Körper hin.

Niedriger Adiponectin-Spiegel
Ist der Wert dieses Peptidhormons zu niedrig, deutet das darauf hin, dass der Glucosestoffwechsel beeinträchtigt ist.

Proteine & Zytokine
Auch diese Funde weisen auf Entzündungen im Fettgewebe hin.

Lipödem: Entstehung und Diagnose

Ursache für die Entstehung des Lipödems werden in der Genetik vermutet. Weitere Theorien beziehen auch die Folgen von Trauma auf die Epigenetik mit ein, wodurch Veränderungen der Stammzellfunktionen und des Zellstoffwechsels hervorgerufen werden könnten. Typisch ist ein Beginn oder eine Verschlechterung des Lipödems in Phasen hormoneller Umstellung. Häufig treten Lipödeme in folgenden Zu­sammenhängen auf:

  • während der Pubertät

  • zu Beginn oder nach Absetzen einer hormonellen Therapie oder Verhütungsmethode

  • nach einer Schwangerschaft

  • in den Wechseljahren

  • in Phasen hoher Stressbelastungen (mit erhöhtem Cortisolwert)

Diagnose Lipödem: Welcher Arzt kann helfen?

Die Diagnose erfolgt häufig durch geschulte Hausärzte, die für die Erkrankung sen­si­bilisiert wurden oder Spezialisten wie Gefäß­chirurgen, Phlebologen, Dermatologen und Angiologen sowie Ärzte mit Weiter­bildungen in Lymphologie. Es erfolgt zunächst eine Anamnese, bei der die Patientin ihre Be­schwerden darlegt und während der auch mögliche Fälle in der Familien­geschichte erfragt werden.

Weitere Schritte in der Diagnose sind Inspek­tion und Palpation (Begutachten durch Ansehen und Tasten). In einigen Fällen werden auch bild­gebende Verfahren, wie beispiels­weise Ultraschall eingesetzt. Häufig entwickeln Betroffene auf der Suche nach Er­klärungen auch selbst den Verdacht, ein Lipödem zu haben. Wenn sie nicht sicher sind, ob ihr Arzt sich mit der Er­krankung auskennt, nehmen sie häufig einen Arztbrief, ein erklärendes Buch oder eine aus­sagekräftige Kurz­information mit in die Praxis. Alternativ suchen sie einen explizit empfohlenen Spezialisten auf.

Checkliste Lipödem erkennen

Symptome bei Lipödem: So äußert sich die Erkrankung

Betroffene leiden meist zunächst unter Druck- und Berührungsschmerzen, im Laufe der Erkrankung dann auch unter chronischen Schmer­zen. Es liegt dann eine Allodynie vor: eine Schmerzsensitivierung, bei der auch Reize, die bei gesunden Menschen keine Reaktion hervor­rufen, bei Betroffenen Schmerz auslösen. So empfinden Lipödem-Patienten beispielsweise das Überein­ander­schlagen der Beine, das Spü­ren eines Strumpfgummis am Unterschenkel oder eine zärtliche Berührung des Partners als unangenehm und schmerzhaft.

Dadurch hat die Erkrankung, je nach Ausprä­gung, auch massive Auswirkungen auf das soziale und das Berufsleben der Betrof­fenen sowie deren Beziehungen. Viele Betroffene berichten, dass sie Schmerzen beim Knien und Hocken haben und dass sie bedauern, nicht mit ihren Kindern auf dem Boden spielen zu können oder diese ohne Schmerzen auf den Schoß zu nehmen. Schwerstbetroffene sind oft nicht mehr arbeitsfähig und benötigen Rollator oder Rollstuhl zur Unterstützung bei der Fort­bewegung. Andere Betroffene werden auch aufgrund des hohen Beingewichts und der eingeschränkten Mobilität bettlägerig. Lipödem ist für viele Betroffene in allen Stadien auch psychisch sehr belastend.

Begleiterscheinungen vom Lipödem

  • Schilddrüsenunterfunktion

  • Hashimoto

  • Östrogendominanz

  • Progesteronmangel

  • Regelschmerzen

  • Polyzystische Ovarien (Bläschenbildung an den Eierstöcken)

  • Kontaktdermatitis in den Hautfalten

  • Ess- und Schlafstörungen

  • Depression & Dysthymie

  • Angsterkrankungen

Stadien

Lipödem-Betroffene machen immer wieder durch Fotoaktionen auf ihre Erkrankung aufmerksam. Anderen Be­troffenen möchten sie dabei zeigen: Wir haben trotz der Erkrankung unser Lachen nicht verloren. Auf diesem Bild sieht man von links eine Betroffene mit Stadium 2, Stadium 3, Stadium 1. Die Umfänge sind dabei nicht das wichtigste Kriterium: vielmehr sind die Verhärtungen der Haut entscheidend. Fotografin: Carina Gorny

Auch Venenschwächen, Krampfadern, Erisypele und sekundäre Lymphödeme können entstehen oder kommen gleichzeitig vor. Als Folge der Schwere des Lipödemfetts und der Disproportion des Körpers sind auch orthopädische Erkrankungen (Störung des Gangbildes, Achsenfehlstellungen, Rücken-, Nacken-, Hüft- und Knieüberlastungen) häufig. Aus diesen Gründen ist es auch wichtig, dass außer den Hausärzten und Phlebologen auch Endokrinologen, Gynäkologen, Dermatologen, Psychologen, Schmerztherapeuten und Orthopäden die Erkrankung erkennen können und sinnvolle Therapien initiieren können.

Lipödem oder Lymphödem: Was ist der Unterschied?

Vom Lipödem wird das Lymphödem abge­grenzt. Bei diesem ist das Lymphsystem chronisch überlastet oder beschädigt und kann Lymph­flüssigkeit nicht mehr genügend abtransportieren.

Lipödem Lymphödem
Tritt symmetrisch auf linker und rechter Körperseite auf Kann auch unsymmetrisch auftreten
Hände und Füße sind typischerweise nicht betroffen Hände und Füße sind betroffen

Ein sekundäres Lymphödem kann aus einem Lipödem entstehen, da die zunehmende Fibrosenbildung den Lymphfluss erschwert. Liegen Lymphödem und Lipödem gleichzeitig vor, spricht man vom Lipolymphödem. Auch Lipödem und Adipositas können gleichzeitig auftreten (in ca. 50-70 Prozent der Fälle).

TIPP: Stemmer’sches Zeichen
Wenn das Abheben der Haut auf dem zweiten und dritten Zeh möglich ist, liegt kein (zusätzliches) Lymphödem vor.

Lipödem behandeln – Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Das Fortschreiten der Erkrankung ist bisher nicht für einzelne Betroffene vorhersehbar. Unerlässlich sind daher ein möglichst gutes Krankheitsmanagement und eine bedarfs­gerechte medizinische Versorgung, um das Fortschreiten frühzeitig einzudämmen.

Die Verhärtungen des Fett­gewebes (Fibrosen) sind der amerikanischen Endokrinologin und Lipödem-Forscherin Professorin Dr. Karen Herbst zufolge der Grund, warum das Lipödem­fett nicht durch Diäten, Sport oder Magen­band­operationen verschwindet. Ihren Erkennt­nissen nach ist es zentral, die Entzündungen des Gewebes zu behandeln, da die Entzündungen die Ver­härtungen hervorrufen. Auf Ultraschall­bildern wird klar, dass das über­schüssige Fett nicht nur im äußeren Bereich des Körpers sitzt, sondern auch innerhalb des Muskel­gewebes.

Beim Lipödem werden konservative und operative Verfahren unterschieden, teilweise auch fälschlich als Alternativen zu einander ange­sehen. Ziel der Therapien ist die Besse­rung der Beschwerden, das Aufhalten des Fortschreitens der Erkrankung sowie die Verhin­de­rung von Folgeerkrankungen. Konser­vative und operative Therapie sollten einander sinnvoll ergänzen und individuell verordnet und kombi­niert werden.

Konservative Therapie

Bei der konservativen Therapie (kombinierte physikalische Entstauungstherapie) kommen verschiedene Therapiemaßnahmen parallel zum Einsatz:

Zu Beginn der Therapie steht oft eine Entstauungstherapie in einer Lympho­logischen Fachklinik. Dort werden Lymphdrainagen, Banda­genwicklungen und Bewegungsprogramme angeboten. Im Anschluss folgt die Anpassung einer passenden Flachstrickver­sorgung. Die Auf­enthalte in Fachkliniken werden meist im 2-Jahres-Turnus wiederholt.

Kompressionsstümpfe, -strumpfhosen und Armversorgung werden in der Regel in Flachstrickausführung angefertigt. Meist wird hierzu mindestens eine Kompres­sionsklasse II gewählt. Durch den Druck auf das Gewebe werden die Gefäße kom­primiert: Es tritt weniger Lymphe ins Gewebe und sie wird besser abtrans­portiert.

Durch die Manuelle Lymphdrainage, welche 1-2 Mal wöchentlich durch­geführt wird, erhöht sich die Pump­leistung des Lymphsystems. Viele Patientinnen berichten von Reduktion von Schwere und Schmerz nach der Lymph­drainage sowie einen Gewinn von Mobi­lität. Einer nicht-repräsenta­tiven Umfrage zufolge, berichten 80 Prozent der Be­troffenen, dass ihnen die Lymph­drainage für einige Tage Ent­lastung bietet und bessere Selbst­fürsorge und Bewegung er­möglicht, für 20 Prozent ist dies nicht der Fall.

Apparative Intermittierende Kompression kann zusätzlich zur Lymphdrainage ver­schrieben werden und zwischen den Sitzungen zum Ein­satz kommen. Hierbei werden mit­hilfe von Man­schetten und Luft­polstern die Glied­maßen um­schlossen und mit wechselndem Druck behandelt.

Auch verschreiben Ärzte Rehasport und Krankengymnastik, die den Betroffenen hilft, in Bewegung zu bleiben. Ins­be­sondere sind hier alle Formen von Aqua-Sport (Wasser-Gymnastik, Aqua­fitness, Aqua-Cyc­ling, Schwimmen) empfehlens­wert.

  • Sie ist nicht-invasiv
  • Sie wird benötigt, um das Gewebe zu entstauen, zu entlasten und dem Körper Halt und wiederkehrend Erleichterung zu geben
  • Sie kann in Kombination mit sehr umfangreichem Krankheitsmanagement in einigen Fällen einen annehmbaren Zustand erzielen eine Verschlimmerung der Erkrankung verlangsamen
  • Sie ist auch notwendig, um auf Operationen vorzubereiten und nach Operationen weiterhin für eine Eingrenzung der Erkrankung zu sorgen.
  • Sie ist in den meisten Fällen nicht ausreichend, um Verschlimmerung zu verhindern oder dauerhafte Besserung zu gewährleisten
  • Die Betroffenen sind oft durch Schmerzen weiterhin stark eingeschränkt, nehmen Schmerzmedikamente dauerhaft ein oder sind ohne Kompression nicht mobil
  • Sie ist in Kombination mit häuslichem Krankheitsmanagement sehr zeitaufwendig und häufig überfordernd, was bei den Betroffenen oft zu dauerhaftem Stress- und Versagenserleben – und damit einer cortisollastigen Hormonausschüttung – führt, was sich negativ verstärkend auf den Stoffwechsel und die Gefäßgesundheit auswirkt.

Operative Therapie

Bei der operativen Therapie, der Liposuktion bei Lipödem, handelt es sich nicht, wie oft fälschlich angenommen, um eine Schönheits­operation, sondern um eine Entfernung erkrankten, schmerzenden Gewebes, deren Ziel es ist, Mobilität zu erhöhen und ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern oder zu verlangsamen. Es gibt derzeit zwei besonders gängige Verfahren: Die TLA (Tumeszenz-Lokalanäs­thesie) und WAL (Wasserstrahlassistierte-Liposuktion).

  • In vielen Fällen deutliche Reduktion von Schmerz und Schwellungen für lange Zeiträume oder dauerhaft
  • Teilweise oder vollständige Befreiung von Manueller Lymphdrainage und Kompressionstherapie
  • Vermeidung oder Reduktion des Risikos für orthopädische, hormonelle, dermatologische und psychische Folgeschäden
  • Verbesserung des Stoffwechsels und des Hormonhaushalts
  • Risiko einer Krankheitsverschiebung an anderen Körperstellen, möglicherweise nicht dauerhaft wirksam
  • Risiko möglicher Komplikationen wie Infektionen, Wundrose sowie das geringe Risiko einer Beschädigung des Lymphsystems

Studienlage zur Lipödembehandlung

Es gibt derzeit wenige unabhängige Studien zur Wirksamkeit von Liposuktionen bei Lip­ödem, wenngleich es zahlreiche Betroffe­nen­berichte gibt. Die vorliegenden Untersuch­ungen weisen allerdings auf „ausgeprägte Verbesserungen von Spontan­schmerz, Druckschmerz, Ödem und Hämatomneigung“ hin. Die Verbesserungen bleiben mehrheitlich über Jahre bestehen.  Operationen sind besonders aussichts­reich, wenn die Patientin einen guten Gesundheits­zustand hat und die konservative Therapie zuvor konsequent durchführt. Bei schweren Erkrankungen der Organe, Allergien gegen Anästhetika oder vorliegender Schwanger­schaft ist eine Operation nicht empfehlens­wert. Die Patientin sollte sich gründlich informieren und auf die Operation vorbereiten. Die Erwartung einer ästhetischen Verbesserung sollte nicht zu groß sein.

Kostenübernahme Lipödem: Was zahlt die Krankenkasse?

Krankenkassen sollten bei Lipödem die Konservative Therapie übernehmen. Wichtig ist dabei, dass genügend Kompressions­versorgung zur Ver­fügung gestellt wird. Im All­gemeinen be­nötigen Patientinnen pro Halb­jahr Strümpfe und Co. in zweifacher Ausführung – bei Umfangsänderungen auch mehr. Die Lymph­drainage sollte wie vom Arzt verordnet übernommen werden. Medizinisch sinnvoll sind in den meisten Fällen 1-3 Lymphdrainage-Termine pro Woche von jeweils 50 Minuten. Eine Unterbrechung der Lymph­drainage wegen fehlender Kosten­übernahme ist kontraproduktiv, da alle Maß­nahmen konse­quent angewendet werden müssen. Wenn bei einer Betroffenen entsprech­ende Gründe vorliegen, wie beispiels­weise Benötigung von mehr Lymph­drainage, kein Zugang zu Manueller Lymph­drainage (MLD), sollte auch ein Gerät zur Apparativen Intermittierenden Kompression übernommen werden.

Derzeit erhalten Patientinnen erst im Stadium 3 Kostenübernahme für Liposuktionen bei Lipödem. Eine der Auflagen ist allerdings dass der BMI nicht höher als 35 liegen darf. Bei einer Erkrankung, die durch Fettvermehrung charakterisiert ist, die im Laufe der unbehandelten Jahre stetig fortschreitet, ist diese Vorgabe für die meisten Betroffenen im Stadium 3 nicht erfüllbar. Kostenübernahme muss – bei medizinischer Indikation – für alle Stadien erfolgen. Derzeit ist die Situation für Betroffene belastend. Einige müssen sogar um ein zweites Paar Kompressionsstrumpfhosen kämpfen.

Bei zusätzlich vorliegender Adipositas sind auch Ernährungs­beratung, Ernährungs­therapie, Bewegungstherapie in Absprache mit der Betroffenen anzubieten.

Auch eine multimodale Schmerztherapie kann für Betroffene hel­fen, mit der Erkrankung und ihren Folgen umzugehen. Lip­ödem-Betroffene werden allerdings derzeit nur selten in Schmerzam­bulanzen vorstellig. Auch Ope­ra­tio­nen sollten bei vorliegender Indika­tion für alle Krankheitsstadien von der Kranken­kasse über­nommen werden, um auch Folgeerkrankungen, hohen Belastungs­druck und damit verbundene hohe Folgekosten zu vermeiden.

Video: Lipödem – Konservative Therapie oder Operation?

Quelle: „Lipödem – wer zahlt die Fettabsaugung?“| rbbPraxis

Krankheitsmanagement bei Lipödem

Patientinnen können in hohem Maße zu einem Gelingen der Therapien beitragen, indem sie ihrer Gesundheit in vielen Berei­chen des Lebens einen hohen Stellen­wert beimessen. Die Gesundheitsmaßnahmen, die dabei von Betroffenen häufig eingehalten werden, über­steigen oft die durchschnittliche Gesundheits­vorsorge in der Bevölkerung. Bei einigen Betroffenen tritt allerdings – insbesondere wenn gleichzeitig Depressionen vorliegen – auch Resignation ein.

Berufstätige Betroffene sollten durch flexible Arbeitsmodelle, Anerkennung der chronischen Erkrankung durch den Arbeit­geber, angemessene Pausen- und Urlaubs­regelungen sowie An­rechnung von regel­mäßigen Gesundheits­maßnahmen (bspw. Lymphdrainage) auf das Arbeits­zeit­konto in ihrem Berufs­leben unterstützt werden. In vielen Lebens­bereichen ist es typisch für Lipödem-Betroffene, viel für andere zu leisten, um den scheinbaren „Makel“, den sie mit sich tragen, durch Für­sorge oder Aufopferung auszugleichen.

Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel

Lipödem-Betroffene leiden häufig auch an weiteren Erkrankungen. Vor der Einnahme von Medikamenten sollte jedoch geprüft werden, ob diese die Ödem­neigung fördern und ob es gleichwertige Alter­na­tiven gibt. Dies gilt insbesondere für Schmerz­mittel, Anti-Depres­siva, Herz­medikamente und hormo­nelle Ver­hütungs­methoden. Der Einsatz von Diuretika ist bei Lipödem kein geeignetes Mittel zur Ent­wässe­rung. Zur Schmerz­lin­derung empfehlen sich Gele mit Ketopro­fen. Andere entzündungs­hemmende Schmerz­­­mittel (NSAR) sind bei Lipödem aufgrund ihrer Tendenz, Schwellungen zu verstärken, nicht für den regel­mäßigen Gebrauch geeignet.

Neuesten placebokontrollierten, doppelblinden Studien (Dr. Anna Theresa Lipp, Klinikum rechts der Isar) zufolge sind Kombinationen verschiedener Nahrungsergänzungsmittel bei Lipödem wirksam. Kurkumin und Steinklee werden von vielen Betroffenen bereits seit Jahren verwendet. Sie zeigen in ihrer 90-tägigen Ernährungsstudie sehr positive Einflüsse auf Umfangs- und Schmerzminderung bei Probanden. In amerikanischen Studien wird die Bedeutung von Selen und Vitamin D häufig hervorgehoben. CBD Öl und medizinisches THC werden von Betroffenen und Ärzten (auch bei vielen anderen entzündlichen Erkrankungen) als äußerst schmerzlindernd und langfristig entzündungshemmend beschrieben. Präparate mit diesen Wirkstoffen sollten also ebenfalls verschrieben und Kosten von den Krankenkassen übernommen werden.

Forschungs- und Fortbildungsbedarf

Umfangreiche Studien zum Lipödem werden benötigt. Hierzu gehören unter anderem Hormonstudien, Stammzellstudien und Studien der Neuropathologie. Es ist außerdem ausgesprochen wichtig, zeitnah Allgemein­mediziner, Gynäkologen und Orthopäden fortzubilden, um für Betroffene schnellere, genauere Diagnosen und einen frühen Behandlungsbeginn zu ermöglichen.

FAQ – die häufigsten Fragen zum Lipödem

Bei einem Lipödem handelt es sich um eine chronische Fettverteilungsstörung, die auch eine krankhafte Vermehrung von Fettzellen einschließt. Besonders an den Extremitäten, wie Oberschenkel  und Arme, kann es zu einer Zunahme des Fettgewebes kommen. Berührungsschmerzen, Gefühle von Schwere, knotenartige Verdickungen und Dellen in der Haut (sogenannte „Matratzenhaut“) können die Folge sein.

Erfahren Sie mehr über die Krankheit Lipödem.

Lipödeme können von geschulten Hausärzten oder Spezialisten wie Gefäß­chirurgen, Phlebologen, Dermatologen und Angiologen diagnostiziert werden.

Lesen Sie mehr über die Entstehung und Diagnose von Lipödem

Alle nötigen Maßnahmen der konservativen Therapie, wie die Versorgung mit Kompressionsstrümpfen oder Laymphdrainage sollten von der Krankenkasse bezahlt werden. Seit 2019 werden zudem unter bestimmten Umständen die Kosten für eine Liposuktion (Fettabsaugung) im Stadium 3 übernommen. Für Betroffene und Mediziner reicht diese Regelung aber noch nicht weit genug. Sie fordern, dass viel mehr Patienten den Eingriff von der Krankenkasse erstattet bekommen sollten.

Erfahren Sie mehr über die Kostenübernahme der Krankenkassen bei Lipödem.

Eine Liposuktion, als das operative Entfernen des erkrankten Gewebes, kostet in Deutschland zwischen 2000 und 5000 €. Die Preisspanne ergibt sich aus der Umfang der Behandlung und der angewendeten Methode. Seit Ende 2019 kann die Liposuktion beim Lipödem ab Stadium 3 unter bestimmten Voraus­setz­ungen von den Kranken­kassen bezahlt werden. Übernimmt die Krankenkasse die Kosten nicht, müssen die Patienten für die Kosten selbst aufkommen.

Lesen Sie mehr über die Kostenübernahme der Krankenkassen bei Lipödem.

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