Gesetzliche Krankenversicherung für Beamte:
Lohnt der Verbleib in einer Krankenkasse?

Die Frage, ob die gesetzliche Krankenversicherung für Beamte und Beamtinnen sinnvoll ist, lässt sich nicht allgemein gültig beantworten. In der Regel ist es allerdings so, dass sich beim Wechsel in ein Beamtenverhältnis der Verbleib in der gesetzlichen Krankenkasse nicht lohnt. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die im Einzelfall zu einer erheblichen Ersparnis führen können. Eine neue Möglichkeit bietet sich seit August 2018 in Hamburg: Hier können Neu-Beamte und bereits gesetzlich versicherte Beamte einen Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten.

GKV oder PKV — Beamte haben die Wahl

Die Berufsgruppe der Beamten hat zu Beginn ihrer Karriere das Privileg, unabhängig vom Einkommen, Mitglied einer freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zu werden. In der GKV tragen Beamte den Gesamtbeitrag von 14,0 Prozent aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeber­anteil plus den jeweiligen Zusatzbeitrag der Krankenkasse allein. Im Regelfall ist man als Beamter in Deutschland finanziell besser gestellt, wenn man eine private Krankenversicherung für Beamte abschließt. Der Grund dafür liegt in der Beihilfe bzw. dem Beihilfezuschuss, welchen der jeweilige Dienstherr für seine Beamten zu zahlen verpflichtet ist. Dies bedeutet, dass zwischen 50 und 80 % der Kosten vom Beamten zunächst vorgestreckt und dann durch den Dienstherrn wieder ausgeglichen werden. Nur für die verbleibenden 20 – 50 Prozent muss demnach eine private Rest­kosten­versicherung abgeschlossen werden, welche im Gegensatz zur GKV einkommens­unabhängig berechnet wird. Die Versicherer werben hier zudem mit speziellen, günstigen Beamtentarifen. So verwundert es nicht, dass die Mehrheit der Berufsgruppe privat versichert ist und gemeinsam mit Angehörigen sowie Pensionären rund die Hälfte der PKV-Mitglieder ausmacht.

85 %

85 % der Beamten in Deutschland sind privat versichert

Wann lohnt sich die GKV? Die Vorteile im Überblick

Obwohl sich die Mehrheit der Beamten für eine private Krankenversicherung in Kombination mit der Beihilfe durch den Dienstherrn entscheidet, gibt es in Deutschland Tausende Beamte, die bereits freiwillig gesetzlich krankenversichert sind. Doch in welchen Lebenssituationen kann die GKV die bessere Option sein?familie kinder

Der Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung kann eine gute Alternative sein, wenn man:

  • Alleinverdiener/in einer kinderreichen Familie ist, weil man in der GKV Angehörige (unter bestimmten Voraussetzungen) kostenlos mitversichern kann.

    • In der PKV müsste für jedes Familienmitglied ein separater Vertrag abgeschlossen werden; allerdings wären die Angehörigen ebenso berechtigt Beihilfe zu empfangen wie der Hauptversicherte.
  • verhältnismäßig niedrige Bezüge hat, da der Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung einkommensabhängig berechnet wird.

    • Sollten sich die Einkünfte durch Elternzeit, Umstellung auf Teilzeit oder Beurlaubung verringern, besteht nicht die Gefahr einer finanziellen Überbelastung, da sich der Beitrag anpasst und kalkulierbar bleibt.
    • In der PKV muss die monatliche Prämie im Regelfall weiterhin bezahlt werden, es besteht die Möglichkeit von einem Premium- auf einen Basistarif umzusteigen.
  • Scheu vor finanzieller Belastung & bürokratischem Aufwand hat.

    • Der privat versicherte Beamte geht im Krankheitsfall zunächst in Vorkasse. Rückwirkend wird ihm (nach Vorlage der Rechnungen) vom Dienstherrn durch die Beihilfestelle sowie dem Versicherer der Betrag anteilig erstattet.
    • In der GKV werden Leistungen in der Regel direkt von der Krankenkasse übernommen.
  • durch (chronische) Vorerkrankungen hohe Risikozuschläge oder gar Ausschluss beim Privatversicherer befürchten muss.

    • Innerhalb der PKV haftet jeder für sein eigenes Risiko. Die Prämie berechnet sich u.a. nach Alter, Gesundheitszustand sowie der Auswahl an Leistungen. Beamtenanwärter zahlen in der Regel eine geringere Prämie, ältere Versicherte dafür eine höhere. Der Aufbau von Altersrückstellungen soll einer Kostenexplosion vorbeugen, kann einen Beitragsanstieg aber nicht verhindern.
  • eine Grundversorgung ausreichend findet. Dieses Defizit kann mithilfe von einer privaten Krankenzusatzversicherung ausgeglichen werden.

  • erst sehr spät im Berufsleben in ein Beamtenverhältnis wechselt. Dies kann zum Beispiel bei Wahlbeamten der Fall sein. Je nach Alter und individuellem Gesundheitszustand können die Beiträge zur privaten Krankenversicherung so hoch ausfallen, dass sich ein Wechsel unter Umständen nicht mehr lohnt.

Wichtige Info Beamte in Krankenkasse

Nachteile für Beamte beim Verbleib in einer Krankenkasse

Für einen Beamten, der sich für den Verbleib in einer gesetzlichen Krankenkasse entscheidet, bedeutet dies, dass er keinen Beihilfeanspruch vom Dienstherrn hat. Außerdem ergeben sich Unterschiede zu einem sozial­versicherungs­pflichtigen Angestelltenverhältnis insoweit, als das für Beamte und Beamtinnen keine anteiligen Beiträge zur Krankenversicherung durch den Arbeitgeber gezahlt werden. Als Beamter wird man daher in der gesetzlichen Krankenkassen so gestellt, als würde man selbständig tätig sein. Dies führt zu einem wesentlich teureren, direkt vom Versicherten zu leistenden Beitrag. Dieser ist aufgrund des fehlenden Arbeitgeberanteils fast doppelt so hoch wie der im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses.

Beamter in GKV Angestellter
Beitragssatz 14,0 % + Zusatzbeitrag 7,3 % + Zusatzbeitrag
Beispiel am Bruttoeinkommen 4.000 €
Zusatzbeitrag ø 1,0 %
4.000 € * 15,0 % =
0
pro Monat
4.000 € * 8,3 % =
0
pro Monat

polizei beamtinNoch weniger lukrativ ist der Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung für Vollzugsbeamte.
Polizeivollzugsbeamte im aktiven Dienst, sowohl der Bundespolizei wie im Normalfall auch der Länder, sind im Rahmen der Heilfürsorge vollständig über den Staat versichert. Bundespolizisten können sich auch für die Beihilfe vom Dienstherrn entscheiden, allerdings ist diese Wahl nicht rückgängig zu machen. Für Justizvollzugsbeamte, und in manchen Bundesländern ebenfalls Beamte der Berufsfeuerwehren oder Landesfeuerwehrschulen, gilt gleichfalls die medizinische Versorgung über die freie Heilfürsorge ihres Dienstherrn, also des Staates. Hintergrund hierfür ist, dass diese Berufsgruppen aufgrund ihres erhöhten Berufsrisikos zu hohe Beiträge im Rahmen der privaten Krankenversicherung würden tragen müssen.

Für Bereitschaftspolizisten und Soldaten besteht eine Sonderregelung: Polizisten der Bereitschaftspolizei sind teils verpflichtet, den polizeiärztlichen Dienst in Anspruch zu nehmen, während Bundeswehrsoldaten im Bedarfsfall den Truppenarzt aufsuchen müssen. Für sie ist die UTV bindend, die unentgeltliche truppenärztliche Versorgung.

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→ Fazit

Es wird deutlich, dass die gesetzliche Krankenversicherung durchaus eine sinnvolle Alternative zur privaten Restkostenversicherung bei Beamten sein kann. Da sich für den Einzelfall aber keine allumfassende Empfehlung für eine der beiden Absicherungsmöglichkeiten finden lässt, ist es ratsam, im Zuge der Entscheidungsfindung beide Systeme detailliert hinsichtlich ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile miteinander zu vergleichen. Außerdem sollte die gegenwärtige Lebenssituation sowie die voraussichtliche Entwicklung bedacht werden, insbesondere in Bezug auf das Alter, das Einkommen und den individuellen Gesundheitszustand.

Hamburg

Gesetzliche Krankenversicherung für Beamte in Hamburg – Pro und Contra

Seit August 2018 können Neu-Beamte zwischen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung wählen. Die meisten Beamten sind in der Regel privat versichert, da sie dort eine Beihilfe in Höhe von 50 bis 80 Prozent vom Dienstherrn erhalten. Ab sofort können in Hamburg auch gesetzlich versicherte Beamte einen Zuschuss in Höhe von 50 % der Versicherungskosten erhalten.

Argumente für die Gesetzliche Krankenkasse
  • Einsparpotenzial für Bund/Länder bis 2030 laut Bertelsmann-Studie: 60 Milliarden Euro
  • Chance für GKV: 50% der PKV-Mitglieder sind Beamte & Angehörige
  • Kreis der Profiteure steigt mit bundesweiter Öffnung der GKV, weitere Länder beraten sich bereits
  • Zuwachs an Beitragszahlern führt zu Beitragssenkung in GKV
  • kostenfreie Familienversicherung für Kinder & Angehörige möglich
  • GKV-Beitrag passt sich sinkendem Einkommen an, bei steigenden Einahmen ist der Beitrag durch die Beitragsbemessungsgrenze nach oben „gedeckelt“
  • keine Risikozuschläge für bestehende Krankheiten, keine Ablehnung bei Krankenkassenwechsel
  • GKV bietet teilw. Konstübernahme für Leistungen, die die PKV nicht erstattet, z.B. Kur & Kinderkrankengeld; sowie einen Schutz vor Überversorgung durch Maßnahmen der Qualitätssicherung
  • Leistungskatalog wie in PKV möglich durch Abschluss einer Krankenzusatzversicherung
  • stärkerer Wettbewerb zwischen PKV & GKV kommt allen Versicherten zugute
  • Wechsel innerhalb der GKV problemlos & mit Profit für den Versicherten möglich; Wechsel in die PKV möglich, dann (meist) lebenslange Bindung
  • günstige gesetzl. Krankenversicherung der Rentner (KVdR) bei erfüllter Vorversicherungszeit
Gegenargumente Gesetzliche Krankenkasse Beamte
  • bisher eher geringe Zahl der Profiteure: 2.400 bereits freiwillig gesetzlich versicherte Beamte & Berufseinsteiger in Hamburg
  • Beamte haben teilweise höheren Krankenstand & verursachen somit mehr Kosten in der GKV
  • die Beihilfe als Teil des Alimentationsprinzip zählt zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums
  • bei Umzug in anderes Bundesland entfällt GKV-Zuschuss & der komplette Beitrag zur KV wird fällig
  • Beiträge steigen innerhalb der PKV durchschnittlich um 3 Prozent pro Jahr, ohne Neuzugänge fällt die Beitragsanpassung noch höher aus
  • sinkende Einnahmen der Privatversicherer; Restkostenversicherung könnte zunehmend überflüssig werden
  • Umsatzausfälle für Ärzte & Krankenhäuser, privat Versicherte bringen durchschnittlich 2,6% mehr Umsatz
  • Außerhalb Hamburgs: PKV durch hohe Beihilfe, bessere Leistungen & günstige Beamtentarife im Vorteil
  • Risikoselektion zugunsten der PKV trotz Öffnungsaktion: beim vermehrten Wechsel von kinderreichen Beamten­haus­halten, mit geringem Einkommen & möglicher­weise chronischen Erkrankungen wird PKV „gesund geschrumpft“ bei gleichzeitiger Belastung der GKV

Icon Euro1Die Sonderstellung der Beamten mitsamt der steigenden Kosten für die milliardenschwere Beihilfe sorgen seit längerem für Unmut bei großen Teilen der Bevölkerung. Hauptgrund: Die Beamten sind kein Teil der Solidargemeinschaft innerhalb der GKV, entziehen dieser aber zusätzlich finanzielle Mittel, da die Beihilfe ausschließlich mit Steuergeldern finanziert wird, ihr vergleichsweise überdurchschnittliches Einkommen aber gleichzeitig nicht verbeitragt wird. Des Weiteren haben Angestellte erst ab einem Jahresvermögen von 59.400 Euro das Recht, sich privat zu versichern und wenn beispielsweise in der PKV die Behandlungskosten steigen, hat dies keine Auswirkungen auf die PKV-Prämie der Beamten.

Statt eines fairen Wettbewerbs zwischen den Systemen werde die private Krankenversicherung „künstlich staatlich alimentiert“, formuliert die Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, Maria Klein-Schmeink, treffend. Hamburg möchte nun eine reale Wahlmöglichkeit für seine Beamten schaffen, indem die Hansestadt zusätzlich zum Modell PKV plus Beihilfe anbietet, den Arbeitgeberanteil in der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen. Man schreibe damit ein „Stück Sozialgeschichte“, so Cornelia Prüfer-Storcks von der SPD, Senatorin für Gesundheit und Verbraucherschutz der Stadt Hamburg.

Studie der Bertelsmann-Stiftung zur GKV für Beamte

0 Mrd. €
Ausgaben für Beihilfe 2014
0 Mrd. €
Prognose Ausgaben 2030

Die Beihilfe verschlingt jährlich Milliarden und die Ausgaben werden in den nächsten Jahren massiv ansteigen, laut Bertelsmann-Studie um 170 Prozent. Grund dafür ist vor allem der demografische Wandel: Die Generationen der Babyboomer gehen nach und nach in Rente, es gibt gleichzeitig aber weniger Beitragszahler. Zudem wird unsere Gesellschaft insgesamt immer älter. Auch in Hinblick auf die Schuldenbremse könnten Mehrausgaben problematisch werden.

Um eine Explosion der Kosten zu vermeiden, spricht sich die Studie für eine generelle Abschaffung der Beihilfe aus und empfiehlt für die Berufsgruppe eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht einzuführen. Beamte sind als GKV-Mitglieder besonders attraktiv, verfügen sie doch über ein überdurchschnittliches, sicheres Einkommen, an welchem der Beitrag bemessen würde. Die geplante, bundesweite Öffnung der Gesetzlichen könnte laut Hochrechnungen zu einer Entlastung der öffentlichen Haushalte von Bund und Ländern in Höhe von 60 Milliarden Euro bis 2030 führen. Der Studie zufolge können die meisten Bundesländer langfristig Geld einsparen, 3 von 16 hätten eine geringe Mehrbelastungen.

Hinweis Krankenkasse Folgen Beamte

Die Folge wäre, dass knapp 90 Prozent der bisher privat versicherten Beamten in die GKV wechseln würden: 67 % wären direkt betroffen, weitere 21% würden aus finanziellen Gründen freiwillig wechseln. Des weiteren würden die Beiträge aller gesetzlich Versicherten um 0,3 % sinken, da die Mehrkosten (12 Milliarden EUR) geringer als die Mehreinnahmen (15 Milliarden EUR) seien. Somit ergibt sich ein positiver Saldo von rund 3 Milliarden Euro.

Herausforderungen & Chancen des Modells

Besonders die Gegner der Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherungspflicht argumentieren mit rechtlichen Ansprüchen der Beamtenschaft auf Beihilfe sowie mit Verstößen gegen bestehende Gesetze. Thorsten Kingreen, Rechtsprofessor an der Universität Regensburg, entkräftet diese Argumente wie folgt:

„Die Beihilfe gehört nicht zu den durch die Verfassung geschützten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Sie kann daher in ein System der Beteiligung der Arbeitgeber an den Beiträgen überführt werden.“

Icon Recht1

Bestätigt wird Kingreens Äußerung durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs (BVerfGE 106, 225 – Juris Rn. 28, 29)  für das Land Baden-Württemberg vom 11.05.2016:

„Die Beihilfe in ihrer gegenwärtigen Gestalt gehört nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Sie findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Dieser muss Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen.“

Demnach sollte Hamburg keine rechtlichen Probleme mit seiner Entscheidung bekommen, zumal der GKV-Zuschuss zusätzlich zu dem weiterhin bestehenden Modell aus PKV plus Beihilfe existiert.

Finanzielle Umverteilung zum Nachteil von PKV & Ärzten

Falls das Hamburger Modell zum Vorbild für Gesamtdeutschland wird, hätten alle in der PKV Verbleibenden sowie deren Versicherungsgesellschaften und Ärzte das Nachsehen. Es könnte zu Umsatzausfällen in Höhe von 6 Milliarden Euro kommen. Grund: Ärzte haben bei der Abrechnung von Privatpatienten im Durchschnitt 2,6 mal höhere Einnahmen im Gegensatz zu gesetzlich Versicherten, die dann fehlten. Parallel dazu würden zur Kompensation die Beiträge für alle privat Versicherten steigen. Sollte sich dieses Szenario bestätigen, wird von den Versicherern/ Ärzten ein finanzieller Ausgleich gefordert.

Umgekehrt könnte man natürlich fragen, warum diese gravierenden Unterschiede in der Vergütung ärztlicher Leistungen vom Steuerzahler übernommen werden sollten, der ja zuvor bereits die Bevorteilung der Beamten in der PKV begünstigt hat. Was von den Befürwortern des bestehenden Systems als gerechte Subvention für Ärzte bezeichnet wird, verteilt sich regional sehr unterschiedlich und kommt keineswegs immer den schwach versorgten Regionen zugute, sondern eher jenen, in welchen viele privat Versicherte leben.

Vorerst profitieren von der Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung “nur” 2.400 bereits freiwillig gesetzlich Versicherte sowie Neu-Beamte. Es kommt also nicht zur befürchteten Austrocknung der PKV bzw. einer Entwicklung von einer Voll- zur Zusatzversicherung.

Der Hamburger Vorstoß könnte sogar ungewollt zu Chancen für die PKV führen.  In der Abhandlung von Bührer, Fetzer und Hagist kommt man zu dem Schluss, dass das System der privaten Krankenversicherung in nahezu allen konstruierten Szenarien dem der gesetzlichen überlegen bleibt, vor allem durch bessere Leistungen, moderne Behandlungsmethoden und den hohen Beihilfeanspruch. Des weiteren könnte es zu einer Risikoverlagerung zu Lasten der GKV kommen, was letztendlich zu einem “Gesundschrumpfen” der Privaten führen könnte, wenn nämlich vor allem schlechtere Gesundheitsrisiken nach Öffnung in die GKV wechseln, nachdem sich diese Versicherten in jungen, gesunden Jahren der Solidargemeinschaft entzogen haben.

Mit der bundesweit einmaligen Regelung schreibt Hamburg Sozialgeschichte. Ein moderner Sozialstaat sichert alle gleichermaßen ab und grenzt niemanden aus.

Olaf Scholz, Bürgermeister Hamburg

Käme die Bürgerversicherung, gäbe es sofort einen riesigen Markt für zusätzliche Gesundheitsleistungen und zusätzliche Versicherungen. Das wäre dann erst recht eine Zwei-Klassen-Medizin, da wohlhabende Menschen sich bessere Leistungen erkaufen könnten, so seine Schlussfolgerung.

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Ärztekammer

Das Ende der PKV ist doch nur eine Frage der Zeit: Die Beiträge wachsen in den Himmel. Allerdings geht es auch nicht, dass man als junger Mensch mit der PKV spart und im Alter, wenn es teuer wird, in die GKV wechselt. Das wäre unsolidarisch. Wegen der Minizinsen gelingt es den Anbietern immer weniger, Altersrückstellungen aufzubauen. Nun ist es Aufgabe des Staates, das Zusammengehen von PKV und GKV in ordentlichen Bahnen zu lenken, damit nicht am Ende die Solidargemeinschaft draufzahlt.

Barbara Steffens, Landesvertretung NRW der Techniker Krankenkasse

Wenn für Beamte auch die gesetzliche Krankenversicherungspflicht gelten würde, würden nicht nur die meisten Länder finanziell profitieren, sondern auch der Bund. Das wäre eine Entlastung für jeden Steuerzahler.

Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung

PKV oder GKV  – Was lohnt sich in Hamburg?

Angesichts des Hamburger Modells und der damit verbundenen Möglichkeit für Beamte, sich gesetzlich versichern zu können, hat der Verband der Privatversicherer eine Öffnungsaktion ins Leben gerufen: „Jeder neu eingestellte Beamte kann eine private Krankenversicherung abschließen, unabhängig von seinem Gesundheitszustand“, meldet der PKV-Spitzenverband und warnt vor der GKV: “Beamtenanfänger in Hamburg sollten sich gut überlegen, ob sie von dieser Option Gebrauch machen.” Denn die Entscheidung sei unwiderruflich. Das heißt: Bei einem Wechsel in ein anderes Bundesland (Ausnahme: Hessen) müsse damit gerechnet werden, den kompletten GKV-Beitrag allein zu tragen. Der erleichterte PKV-Zugang ohne Gesundheitsprüfung im Rahmen der Öffnungsaktion ist dann in der Regel nicht mehr möglich.

Das bietet die GKV

Die Vorteile der GKV sind nicht zu vernachlässigen. Zwischen den gesetzlichen Trägern herrscht ein starker Wettbewerb und ein Wechsel ist risikolos möglich. Idealerweise profitiert der Versicherte von besseren Leistungen und einem günstigeren Beitrag nach erfolgreichem Krankenkassenwechsel. Mit einer privaten Krankenversicherung bindet man sich in der Regel lebenslang an einen Versicherer, ein Wechsel ist nicht problemlos realisierbar und oft mit dem (Teil-)Verlust der angesparten Altersrückstellungen verbunden. Gegen die PKV spricht für viele Versicherte in den unteren Besoldungsgruppen außerdem die finanzielle Überforderung durch die Vorkasse, der hohe bürokratische Aufwand bei der Abrechnung der ärztlichen Leistungen neben Kosten, die überhaupt nicht erstattet werden und vom Versicherten allein zu tragen sind. Teilweise sind auf Grund dessen auch in der PKV Zusatzversicherungen notwendig.

Altersrückstellungen beim Wechsel in die GKV

In der privaten Krankenversicherung werden die Beiträge so kalkuliert, dass die Versicherten von Beginn an Vorsorge für den kontinuierlich steigenden Bedarf an Leistungen treffen. Demzufolge stehen rein rechtlich die Altersrückstellungen in Höhe von 250 Milliarden Euro der Versicherten­gemeinschaft zu und müssten bei einem Wechsel in die GKV zum Großteil übertragen werden. Wie genau das aussehen könnte, untersuchte eine separate Studie der Verbraucherzentrale Bundes­verband 2015 in verschiedenen Modellen.

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Der Beitrag in der GKV ist abhängig von den Einnahmen des Versicherten. Bei sinkendem Einkommen wird ein geringerer Beitrag fällig, bei steigendem ein höherer. Durch die Beitragsbemessungsgrenze ist der Beitrag zur KV nach oben hin gedeckelt, weshalb es sich besonders für die “Geringverdiener” unter den Beamten lohnen kann. Privat Versicherte müssen akzeptieren, dass die Beiträge kontinuierlich um ca. 3 % pro Jahr ansteigen, weil hier, ganz im Gegensatz zur Solidargemeinschaft, jeder für sein eigenes Risiko aufkommt und mit zunehmendem Alter auch die Wahrscheinlichkeit zu erkranken wächst. Außerdem schützt die GKV ihre Versicherten durch Maßnahmen der Qualitätssicherung vor unnötigen und gegebenenfalls sogar schädlichen Diagnosen oder Behandlungen (Überversorgung).

Größter Vorteil ist allerdings die Option der Familienversicherung: Angehörige (Ehegatten, Lebenspartner, Kinder) können sich unter bestimmten Voraussetzungen beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung mitversichern. Privat versichert müsste für jedes Familienmitglied ein separater Vertrag abgeschlossen werden, aber auch der Prozentsatz der Beihilfe würde dann steigen.

Diese Bundesländer planen einen Zuschuss für gesetzlich versicherte Beamte

Bundesland Status Einführung Zuschuss für Beamte
Baden-Württemberg keine Angabe
Bayern keine Angabe
Berlin interessiert
Brandenburg Ab 2019 soll auch hier eine pauschale Beihilfe für Beamte in Kraft treten.
Bremen beschloss „die Ungleichbehandlung von Beamten bei der Krankenversicherung zu beenden“, voraussichtlich ab 2020
Hamburg Einführung am 01. August 2018
Hessen zahlt bereits einen Zuschuss zur GKV für Beamte nach Sachleistungsprinzip
Mecklenburg-Vorpommern interessiert
Niedersachsen keine Angabe
Nordrhein-Westfalen abgelehnt
Rheinland-Pfalz keine Angabe
Saarland keine Angabe
Sachsen interessiert
Sachsen-Anhalt keine Angabe
Schleswig-Holstein interessiert
Thüringen interessiert