Das Immunsystem kann ebenso wie andere Organsysteme erkranken. Das ist der Fall, wenn es gegen eigentlich harmlose Substanzen ausgeprägte Abwehrreaktionen entwickelt, so wie bei Autoimmunerkrankungen oder Allergien. Bei einem Immundefekt tritt das Gegenteil ein: Das Abwehrsystem wird selbst dann nicht aktiv, wenn gesundheitsgefährdende Abläufe im Gang sind. Angeborene Immundefekte sind eher selten. Die Auswirkungen treten bereits im Kindesalter auf. Bei Erwachsenen können Immundefekte durch die Behandlung mit Zytostatika (Krebsmedikamente) und Immunsuppressiva (Substanzen, die das Immunsystem ausbremsen) entstehen. Auch eine HIV-Infektion kann im weiteren Verlauf das Abwehrsystem nachhaltig schwächen.¹ Wir verraten, wie es zu den Störungen der Immunabwehr kommt und welche Erkrankungen des Immunsystems sich daraus ergeben.
Was ist eine Immunstörung?
Das Immunsystem sorgt ganz maßgeblich dafür, dass wir gesund bleiben. Es bekämpft Krankheitserreger und Substanzen, die von außen eindringen und den Körper schwächen. Dazu zählen Bakterien, Viren und Pilze. Unser Immunsystem ist in der Lage, die unerwünschten Gäste anhand von speziellen Oberflächenmerkmalen, den Antigenen, zu erkennen. Trifft der Körper das zweite Mal auf einen Erreger, wird das immunologische Gedächtnis aktiviert. Dadurch, dass sich der Organismus erinnert, können zügig Abwehrstrategien eingeleitet werden.
Allerdings gibt es auch sehr trickreiche Erreger, gegen die unser Körper beinahe machtlos ist. Ein Beispiel dafür sind die HIV-Viren. Mit harmlosen Eindringlingen kommt der Organismus in der Regel gut zurecht. So gehört der alljährige Schnupfen schon fast wie ein alter Bekannter zu den Wintermonaten dazu. Schwieriger wird es, wenn der Organismus mit Infektionen konfrontiert wird, die einen schweren Verlauf nehmen können. Dazu gehören Tollwut, SARS, Covid 19 und Ebola.²
Bei den immunologischen Prozessen können vier verschiedene Hauptkategorien unterschieden werden:
Dazu zählen seltene und zumeist angeborene Phänomene wie der Immunglobulin-Mangel.
Beispiele sind Lupus erythematodes und Hashimoto.
Dazu gehören Heuschnupfen und allergisches Asthma.
Dazu zählen Lymphome.²
Autoimmunerkrankungen: Wenn das Immunsystem sich gegen den eigenen Körper richtet
Bei Autoimmunerkrankungen liegen chronisch entzündliche Prozesse im Körper vor. Es gibt eine Vielzahl verschiedener Erkrankungsformen. Experten schätzen, dass es rund 100 Autoimmunerkrankungen gibt. Weltweit leiden aktuell ca. 5-8 % der Bevölkerung an einer Autoimmunerkrankung. Aufgrund der hohen Erkrankungszahlen bildet sie die dritthäufigste Erkrankungsgruppe, direkt nach Herz-Kreislauf- und Tumorerkrankungen.
Liegt eine Autoimmunerkrankung vor, kann das Abwehrsystem nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden. Im Zuge dessen wird auch gesundes, körpereigenes Gewebe angegriffen. Ursächlich für den fehlgeleiteten Angriff sind Störungen im Immunsystem, die dazu führen, dass selbst körpereigene Gewebestrukturen nicht mehr toleriert werden. Bei Autoimmunerkrankungen ist es besonders wichtig, zeitnah eine Behandlung einzuleiten. Schließlich können die schweren Entzündungsreaktionen ganze Organe zerstören. Für die Behandlung sind zumeist Ärzte aus verschiedenen Disziplinen gefragt. So sind neben Rheumatologen, Neurologen, Kardiologen und Nephrologen auch Dermatologen wichtig, um den Behandlungserfolg zu gewährleisten.³
Schilddrüsenerkrankungen: Hashimoto-Thyreoiditis
Es gibt verschiedene Autoimmunerkrankungen, die sich auf die Schilddrüse konzentrieren. Bei der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis handelt es sich um die häufigste Form der Schilddrüsenentzündung. Schätzungen gehen davon aus, dass sie 80 % der krankhaften Entzündungsgeschehen in der Schilddrüse ausmacht.4
Bei der Erkrankung leiden Betroffene unter unspezifischen Symptomen wie Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Traurigkeit und Gewichtszunahme. Daher kann Hashimoto-Thyreoiditis lange unentdeckt bleiben und die chronische Schilddrüsenentzündung weiter voranschreiten.5
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Mediziner unterscheiden zwei Verlaufsformen bei der Erkrankung: Die klassische Form, die zu einer Vergrößerung der Schilddrüse und Funktionsminderung führt und die atopische Form, bei der das Organ verkümmert.
Ursächlich für die Schilddrüsenerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis ist der Umstand, dass der Organismus Antikörper gegen die Eiweiße der Schilddrüse herstellt. Dadurch kommt es zu einer chronischen Entzündung des Organs. Warum das Immunsystem die Antikörper bildet, ist bislang unklar. Die Behandlung der Hashimoto-Thyreoiditis konzentriert sich auf die Linderung der Beschwerden und Folgen. So sind Patienten häufig lebenslang auf die Einnahme von Schilddrüsenhormonen angewiesen. Eine vergrößerte Schilddrüse kann zudem operativ behandelt werden. 4
Allergien: Wenn der Organismus überreagiert
Bei Allergien reagiert das Abwehrsystem überempfindlich auf harmlose Substanzen aus der Umwelt. Dazu gehören Pflanzenpollen oder ausgewählte Nahrungsmittel. Bei Betroffenen kann diese Überempfindlichkeit von leichten Beschwerden bis hin zu schweren Symptomen führen, die das Alltagsleben stark einschränken. Zu den typischen Allergieauslösern zählen:
Menschen, die an einer Allergie leiden, reagieren am häufigsten mit den Atemwegen, den Schleimhäuten oder der Haut. Wird eine Allergie mittels Prick-Test, Pflastertest oder Provokationstest festgestellt, gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Im besten Fall sollte die allergieauslösende Substanz gemieden werden. Ist das nicht möglich, können Medikamente und eine Hyposensibilisierung helfen, die lästigen Beschwerden zu lindern.8
Immundefekt: Wenn das Abwehrsystem nicht aktiv wird
Bei einem Immundefekt, auch Immuninsuffizienz, Immundefizienz oder Immunmangelerkrankung genannt, liegt eine Erkrankung des Immunsystems vor, die vorübergehend oder anhaltend das Abwehrsystem schwächt. Bei einem Immundefekt kann sich der Organismus nicht mehr ausreichend gegen krankmachende Eindringlinge wehren. Das hat zur Folge, dass Betroffene häufig unter Infektionskrankheiten leiden, die teilweise einen schweren Verlauf nehmen können.9
Kurzum: Das Immunsystem kann seiner Hauptaufgabe, dem Abwehren von Krankheitserregern, nicht mehr nachkommen. Zu den Immuninsuffizienzerkrankungen gehört AIDS. Dabei schädigen spezifische Viren die körpereigenen Abwehrkräfte. Bleibt das Virus unbehandelt, drohen schwere Verläufe. Schließlich ist der Körper durch das gedämpfte Immunsystem nicht mehr in der Lage, Viren und Bakterien abzuwehren. Dann können zum Beispiel schwere Lungenentzündungen die Gesundheit gefährden.
Das sexualübertragbare Humane Immundefizienz-Virus (HIV) führt heute nicht mehr automatisch zu einem vorzeitigen Lebensende. Mit einer geeigneten HIV-Therapie kann AIDS verhindert werden. So können auch Menschen, die das Virus in sich tragen, gut und lange leben.10
Immunstörung: Bösartige Veränderungen
Neben der Beseitigung krankheitserregender Substanzen besitzt das Immunsystem noch eine weitere wichtige Aufgabe. Das körpereigene Abwehrsystem schafft gealterte und geschädigte Zellen beiseite. Dazu zählen auch Krebszellen. Die Schwierigkeit liegt darin, die richtigen Zellen zu erkennen. Schließlich handelt es sich auch bei Krebszellen um körpereigene Zellen. Normalerweise richtet sich der Organismus nicht gegen körpereigenes Material. Allerdings kann Krebs große Schäden anrichten. Aus diesem Grund bemüht sich das Immunsystem darum, kranke Zellen zu erkennen und zu vernichten. Bei gesunden Menschen gehört dieser Ablauf zur Routine, sie bemerken nichts davon.
Video: Immuntherapie: Wie unser Körper den Krebs selbst bekämpft
Quelle: wie Wissen | Immuntherapie: Wie unser Körper den Krebs selbst bekämpft
Krebszellen können sich jedoch verschiedener Ausweichstrategien bedienen, um die Immunantwort auszutricksen. So können sie sich unsichtbar für das Abwehrsystem machen oder die Immunreaktion ausbremsen. Damit gelingt die Flucht vor dem körpereigenen Abwehrsystem.11
Problem: Entartete Lymphozyten (weiße Blutkörperchen) und verschiedene Therapien können das Immunsystem weiter schwächen. Der Körper ist nun noch anfälliger für Erkrankungen. Eine Sonderrolle nehmen Leukämie- und Lymphomerkrankungen ein – hier tragen die Immunzellen selbst die bösartigen Veränderungen in sich.11
Studien und Quellen zum Thema Immunsystem
FAQ – die häufigsten Fragen zum Immunsystem

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