Flüchtlinge im deutschen Gesundheitssystem
Im Jahr 2016 sind 722.370 Erstanträge auf Asyl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) eingegangen. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan, Irak und dem Iran zu uns nach Deutschland. Wer aus einem Krisengebiet flieht und keine Aussicht auf Asyl oder Anerkennung als Flüchtling hat, kann unter subsidiären Schutz gestellt werden.

Unterschied zwischen Flüchtling, Migrant und Asylbewerber
Deutschland ist ein traditionelles Einwanderungsland, auch in der Weimarer Republik und im Deutschen Reich gab es immer schon Migranten. Erst seit dem Zweiten Weltkrieg sind mehr Menschen ein- als ausgewandert. Das bedeutet, dass es derzeit mehr Immigranten (Einwanderer) nach Deutschland als Emigranten (Auswanderer), die ihre deutsche Heimat verlassen, gibt. Im Allgemeinen spricht man bei Migranten von Menschen, die ihrer Heimat freiwillig den Rücken kehren, um zum Beispiel ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Als Asylsuchende oder Asylbewerber werden Menschen bezeichnet, die einen Antrag auf Asyl gestellt haben und über den noch nicht entschieden wurde.
Laut Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskonvention (PDF) ist ein Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will.“ Ein Abschiebungsverbot ist durch EU-weit geltendes Recht geregelt, wenn dem Flüchtling in seinem Herkunftsland zum Beispiel die Todesstrafe, Folter oder bewaffnete Konflikte drohen.
Wie viel Geld bekommen Asylbewerber?
Asylbewerber erhalten Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs als Sachleistungen (Nahrung, Kleidung, etc.) und für den notwendigen persönlichen Bedarf des täglichen Lebens in den meisten Bundesländern als Geldleistungen. Eigentlich sind laut § 3 AsylbLG Sachleistungen vorgesehen, aber: „Soweit Sachleistungen nicht mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich sind, können auch Leistungen […] von Geldleistungen gewährt werden”.
notwendiger persönlicher Bedarf § 3a AsylbLG |
Grundleistungen § 3a AsylbLG Gesamt |
Regelleistungen § 2 AsylbLG (nach 15 Monaten) |
Regelsatz Hartz IV |
|
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Alleinstehende Erwachsene (Sammelunterkunft) |
131,00 € | 299,00 € | 368,00 € | 409,00 € |
Paare in einer Bedarfsgemeinschaft |
131,00 € | 299,00 € | 368,00 € | 368,00 € |
Alleinstehende Erwachsene (Wohnung) | 145,00 € | 332,00 € | 409,00 € | 409,00 € |
Jugendlicher 14-17 Jahre | 76,00 € | 265,00 € | 311,00 € | 311,00 € |
Kind 6-13 Jahre | 93,00 € | 258,00 € | 291,00 € | 291,00 € |
Kind bis 6 Jahre | 81,00 € | 206,00 € | 237,00 € | 237,00 € |
Monatliche Bezugsgrößen laut geltendem AsylbLG in Euro für Asylbewerber. Stand: Januar 2017
Die Grundleistungen, die den „notwendigen persönlichen Bedarf“ abdecken sollen, werden auch als sozio-kulturelles Existenzminimum bezeichnet. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Ausgaben für Kultur, Bildung, Freizeit, Verkehr oder auch Nachrichtenübermittlung, wie Telefonkosten. Nach dem Umzug in eine Wohnung wird der Bedarf für die Unterkunft, Heizung, Verpflegung und Hausrat zusätzlich gedeckt, möglich sind hier sowohl Sach- als auch Geldleistungen.
Flüchtlingen, die seit mehr als 15 Monaten in Deutschland leben, stehen Leistungen analog dem Sozialgesetzbuch XII zu, welches die Sozialhilfe regelt. Diese wurden im Januar 2017 im Sozialgesetzbuch (SGB II/XII) angepasst und sind vergleichbar mit den Bedarfssätzen von Hartz IV. Die Höhe kann sich prinzipiell jährlich ändern. Bis zum 1.November des Kalenderjahres werden die Bedarfssätze für den notwendigen und den persönlichen Bedarf festgelegt und anschließend im Bundesgesetzblatt publiziert.
Auch Flüchtlinge können in Deutschland studieren

Um in Deutschland studieren zu können, benötigt man, je nach Hochschultyp, die Hochschul- oder Fachhochschulreife. Als Flüchtling wird man mit anderen internationalen Bewerbern bei der Zulassung zum Studium gleichgestellt. Auch die Krankenversicherung während des Studiums spielt eine entscheidende Rolle und muss vor der Immatrikulation festgelegt werden.
Krankenversicherung und Voraussetzungen für ein Studium

Am einfachsten erhalten Flüchtlinge eine Zulassung, wenn der Status anerkannt ist (z.B. Asylberechtigung, Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes). Aber auch, wenn das Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist oder nur eine Duldung vorliegt, ist eine Studienzulassung möglich. Ob die Voraussetzungen für ein Studium vorhanden sind und ein eventuell begonnenes Studium in der Heimat angerechnet werden kann, entscheiden bei ausländischen Abschlüssen die Akademischen Auslandsämter der Hochschulen oder die Servicestelle „uni-assist“. Wenn keine Dokumente, wie z.B. Schulzeugnisse oder Immatrikulationsbelege, vorliegen, muss die Eignung des Studienbewerbers laut Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03.12.2015 in drei Stufen geprüft und bewertet werden.
Wichtige Unterlagen für die Immatrikulation
Flüchtlinge können wie deutsche Studierende in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS) gesetzlich versichert werden, wenn sie unter 30 Jahre alt sind und das 14. Semester noch nicht beendet haben. Seit dem Wintersemester 2016/2017 beträgt der monatliche Krankenversicherungsbeitrag 66,33 Euro, dazu kommen der Zusatzbeitrag der jeweiligen Krankenkasse und der Anteil für die Pflegeversicherung. Unter 25 Jahre besteht eventuell die Möglichkeit zur kostenfreien Familienversicherung über die Eltern.
Achtung: Bei unvollständigen Unterlagen kann die Einschreibung abgelehnt werden!
Finanzielle Unterstützung für deutsche und ausländische Studenten
Anerkannte Flüchtlinge können wie die deutschen Studenten BAföG beantragen und bis zu 4.800 € im Jahr dazuverdienen oder sich auf ein Stipendium bewerben. Bei einem Stipendium können sich begabte und engagierte angehende Studenten um eine finanzielle Förderung, z.B. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, bewerben. Geduldete und Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel müssen sich dafür seit mindestens 15 Monaten in Deutschland aufhalten. Die Aufenthaltsdauer ist nicht relevant bei anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten – sie können ohne Wartezeit BAföG beantragen.
Mit dem Bundesprogramm „Bildungsberatung Garantiefonds Hochschule (GF-H)“ des Bundesjugendministeriums erhalten junge Migranten finanzielle Unterstützung, wenn ein Studium im Ausland abgebrochen wurde. Die Förderung umfasst Kurse zum Erlernen der deutschen Sprache, Beratung und Unterstützung zum Erreichen der Hochschul- bzw. Fachhochschulreife und Vorbereitungskurse zum Studienkolleg. Die Förderanträge nach den RL-GF-H können bei den Garantiefonds-Hochschule-Bildungsberatungsstellen gestellt werden. An den meisten deutschen Hochschulen gibt es keine oder nur geringe Studiengebühren, jedoch können weitere Kosten für Verwaltung, Zweit- oder Langzeitstudien und weiterbildende Masterstudiengänge entstehen. Häufig werden Schnupperkurse oder die Teilnahme als Gasthörer für Interessierte angeboten.
Migration und Gesundheit der Flüchtlinge
Viele Flüchtlinge erleiden im Krieg und auf der Flucht körperliche sowie psychische Schäden, mitunter können sie Krankheiten mitbringen, die in Deutschland nicht verbreitet sind. Unter den Flüchtigen sind häufig auch
Kinder, die Familienangehörige verloren haben und betreut werden müssen.
Um eine Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten zu verhindern und das
Trauma zu verarbeiten, müssen alle zum Gesundheitscheck und eventuell anschließend psychologisch betreut werden. Weitere ärztliche Behandlungen erfolgen in den ersten 15 Monaten nach § 4 Abs. 1 AsylbLG nur bei akuten und akut behandlungsbedürftigen Erkrankungen, Schmerzen, Schwangerschaft, Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen. Nach §6 Abs. 1 AsylbLG „können insbesondere Leistungen gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung […] der Gesundheit unerläßlich sind…”.

Elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge

In einigen Bundesländern können Flüchtlinge, die die Erstaufnahmeeinrichtungen bzw. das Zentrallager verlassen haben und den Gemeinden zugewiesen wurden, eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) erhalten. Ob eine Gemeinde, Kommune oder eine Krankenkasse an den Rahmenbedingungen teilnimmt, können diese meistens frei entscheiden. Die Gemeinden ohne Gesundheitskarte geben weiterhin Behandlungsscheine für den Arztbesuch aus. In einer Studie der Bertelsmann Stiftung im Oktober 2016 wurde der Stand zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ermittelt.
Bundesland | Einführung der eGK | Hinweise |
---|---|---|
Schleswig-Holstein | ✓ | Einführung: flächendeckend
Vertragspartner: AOK NordWest, BKK-Landesverband Nordwest, IKK Nord, Knappschaft, Novitas BKK, Techniker Krankenkasse (TK), BARMER GEK, DAK-Gesundheit, Kaufmännische Krankenkasse (KKH) |
Mecklenburg-Vorpommern | ✗ | Gründe: Die Gültigkeitsdauer wäre nur sehr kurz, aufgrund der schnellen Bearbeitung der Anträge und viele Flüchtlinge bleiben nicht in Mecklenburg-Vorpommern. |
Hamburg | ✓ | Einführung: flächendeckend
Vertragspartner: AOK Bremen/Bremerhaven |
Bremen | ✓ | Einführung: flächendeckend
Vertragspartner für Bremen und Bremerhaven: AOK Bremen/Bremerhaven |
Brandenburg | ✓ | Einführung: bisher nur in Potsdam |
Berlin | ✓ | Einführung: flächendeckend
Vertragspartner: AOK Nordost, DAK-Gesundheit, BKK VBU und die Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK) |
Niedersachsen | G | Einführung: bisher nur in Delmenhorst |
Sachsen-Anhalt | G | Es ist eine ähnliche Karte wie die eGK geplant. |
Sachsen | ✗ | Die Einführung wurde abgelehnt. |
Nordrhein-Westfalen | ✓ | Vertragspartner für 20 Gemeinden:
AOK NordWest, AOK Rheinland/Hamburg, Novitas BKK, Knappschaft, DAK-Gesundheit, Keine Einführung in: Essen, Herne, Hagen, Dortmund, Duisburg, Bottrop, Erkrath und Gelsenkirchen |
Thüringen | ✓ | Einführung: flächendeckend
Je nach Kreis/Gemeinde beteiligen sich folgende Kassen an der Umsetzung: DAK, IKK classic, AOK plus, BKK VBU und Knappschaft Anerkannte Flüchtlinge oder die, die länger als 15 Monate in Deutschland sind, erhalten die gleichen Leistungen wie deutsche Versicherte. |
Hessen | G | Die Hessische Landesregierung möchte die Gesundheitskarte für Flüchtlinge einführen und ist mit den Krankenkassenvertretern im Gespräch. |
Rheinland-Pfalz | ✓ | Einführung in Trier, Kusel und Mainz |
Saarland | ✗ | Grund: zu hohe Verwaltungskosten |
Baden-Württemberg | ✗ | Es erfolgt keine Einführung der eGK aufgrund der rückläufigen Zahl von Flüchtlingen. |
Bayern | ✗ | Die Einführung wurde abgelehnt. |
Stand: August 2017, Quelle: Bertelsmann Stiftung / Legende: ✓= eingeführt, ✗= Einführung abgelehnt, G= geplante Einführung
Vor- und Nachteile zur Einführung der Gesundheitskarte
Der Leistungsumfang orientiert sich an den Vorgaben der §§ 4 und 6 AsylbLG, daher wird es auch weiterhin Einschränkungen gegenüber den Leistungen für gesetzlich Krankenversicherte geben. Zur Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gibt es geteilte Meinungen von Politikern, Kommunen, Gemeinden und Fachleuten. Während die Einen von einer Entlastung der Bürokratie sprechen, bemängeln Andere die Möglichkeit zum Missbrauch der Gesundheitskarte.
Pro | Contra |
---|---|
einheitliche Versorgung und Finanzierung | Angst vor höheren Gesundheitsausgaben |
spart Verwaltungskosten , da Behandlungsschein wegfällt | mehr Verwaltungskosten durch An- und Abmeldeverfahren bei den Krankenkassen |
Mehrheit der Bürger (54%) befürwortet die Einführung (Quelle: yougov.de) | Möglichkeit zum Missbrauch der Karte, da diese bei Leistungswegfall nicht gesperrt sondern nur eingezogen werden kann |
schnellere Abwicklung der medizinischen Leistungen | |
Reduzierung der Diskriminierung gegenüber regulär gesetzlich Versicherten | |
Ärztliche Leistung wird von Sozialbehörden gezahlt und nicht von Versichertengeldern |

Pflegebedürftige und Pflegepersonal mit Migrationshintergrund
Pflegebedürftige, ganz gleich ob mit oder ohne Migrationshintergrund, lassen sich häufig von den eigenen Kindern pflegen, jedoch können diese mit der steigenden Pflegebedürftigkeit irgendwann überfordert sein. Prognosen deuten einen Anstieg der Gruppe der über 65- Jährigen mit Migrationshintergrund bis zum Jahr 2030 auf 2,8 Mio. hin. Die 2010 durchgeführte Studie im Auftrag des BMG zu den „Wirkungen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes“ zeigt, dass pflegebedürftige Migranten im Durchschnitt knapp 10 Jahre jünger als pflegebedürftige Nicht-Migranten sind. Dieses hängt mit schlechteren Arbeitsbedingungen, einer geringeren Inanspruchnahme von Präventionsangeboten oder auch den häufig schwierigeren Lebensbedingungen zusammen. Das heißt, dass sich zukünftig auch die jungen Migranten Gedanken um die Sicherstellung der Pflege ihrer Eltern machen müssen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) empfiehlt in ihrem Bericht „Pflegebedürftigkeit und Nachfrage nach Pflegeleistungen von Migrantinnen und Migranten im demographischen Wandel“ (2012) folgende Maßnahmen für die Verbesserung der pflegerisch-medizinischen Versorgung:
Die Pflege als berufliche Perspektive für Flüchtlinge
Besonders in der Pflege gibt es in Deutschland einen Fachkräftemangel. Laut Karl-Josef Laumann, dem Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, sind jedes Jahr um die 20.000 zusätzliche professionelle Pflegekräfte nötig. Die Bundesregierung wirbt seit einigen Jahren um ausländische Pflegefachkräfte, u.a. in folgenden Ländern:
Der Erfolg war bisher nur mäßig, denn für die überwiegend jungen männlichen Flüchtlinge zählt der Pflegeberuf in ihrer Heimat nicht zu den hoch angesehenen Berufen, da dieser dort größtenteils von Frauen aus der Familie ausgeführt wird. Die Sprachkenntnisse der Flüchtlinge, zum Beispiel arabisch und türkisch können hilfreich sein, um sich mit den Patienten aus unterschiedlichen Herkunftsländern zu verständigen und kulturelle Belange zu verstehen.
Das Berliner Netzwerk für Bleiberecht „bridge“ wird mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert und möchte Flüchtlingen helfen, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Da gute Kenntnisse der deutschen Sprache eine wichtige Voraussetzung für den Beruf sind, werden individuelle Vorbereitungskurse, Deutschkurse und Eignungsprüfungen durch Praktika, Ausbildungen und Arbeitsvermittlungen angeboten. Die Förderung gilt jedoch nicht nur für Pflegeberufe, sondern auch für Berufe in der Gastronomie, im Reinigungsgewerbe und den gewerblich-technischen Bereich.