Friedrich Merz und die verpflichtende private Pflegeversicherung: Ein kontroverser Reformvorschlag

CDU-Chef Friedrich Merz hat mit seinem Vorschlag einer verpflichtenden privaten Pflegezusatzversicherung für Diskussionen gesorgt. Im TV-Duell mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 9. Februar 2025 erklärte Merz, dass eine solche Maßnahme langfristig notwendig sei, um die steigenden Pflegekosten abzufedern und die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Der Vorschlag hat es jedoch nicht in den kürzlich veröffentlichten Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD geschafft. Stattdessen wird eine umfassende Pflegereform angekündigt, deren Details eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiten soll.

KKZ-Überblick

  • Vorschlag von Friedrich Merz: Einführung einer verpflichtenden privaten Pflegezusatzversicherung.
  • Hintergrund: Steigende Eigenanteile für Pflegebedürftige, die im Januar 2025 im Durchschnitt auf 2.984 Euro pro Monat gestiegen sind.
  • Alternative Finanzierung: Merz schlägt zusätzliche Finanzierungssäulen durch Unternehmen und Steuergelder vor. Eine staatlich organisierte Vollversicherung lehnt er ab.
  • Koalitionsvertrag: Keine direkte Umsetzung des Vorschlags, aber Ankündigung einer „großen Pflegereform“ mit Fokus auf eigenverantwortliche Vorsorge.

Die Idee der privaten Pflegezusatzversicherung

Friedrich Merz argumentiert, dass die gesetzliche Pflegeversicherung allein nicht ausreicht, um die steigenden Kosten zu decken. Sein Modell sieht vor, dass Bürgerinnen und Bürger zusätzlich zur gesetzlichen Pflegeversicherung eine private Pflegezusatzversicherung abschließen müssen. Diese könnte in Form von Pflegetagegeld-, Pflegekosten- oder Pflegerentenversicherungen gestaltet werden. Die Beiträge würden sich nach Alter und Gesundheitszustand der Versicherten richten.

Merz betont, dass Unternehmen stärker in die Finanzierung eingebunden werden sollen und zusätzlich Steuergelder in das System fließen könnten. Eine vollständige Umstellung auf eine staatlich organisierte Vollversicherung lehnt er jedoch ab, da dies seiner Ansicht nach die Sozialabgaben weiter erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährden würde.

Herausforderungen und Kritikpunkte

Der Vorschlag einer verpflichtenden privaten Pflegeversicherung wirft mehrere Fragen auf:

  1. Finanzielle Belastung: Wie sollen Geringverdiener oder Rentner die zusätzlichen Beiträge stemmen?
  2. Kostenkontrolle: Wie teuer würde eine solche Versicherung für den Einzelnen tatsächlich werden?
  3. Soziale Gerechtigkeit: Was passiert mit Menschen, die trotz Pflichtversicherung keine ausreichende Pflege finanzieren können?

Kritiker warnen davor, dass eine solche Maßnahme einkommensschwache Haushalte überproportional belasten könnte. Zudem sei unklar, wie die Versicherungsbeiträge sozial gerecht gestaltet werden könnten.

Der Koalitionsvertrag: Fokus auf eigenverantwortliche Vorsorge

Die Idee einer verpflichtenden privaten Pflegezusatzversicherung wurde nicht explizit in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Stattdessen kündigen CDU, CSU und SPD eine „große Pflegereform“ an, deren Details bis Ende 2025 von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe ausgearbeitet werden sollen. Diese soll insbesondere Anreize für eigenverantwortliche Vorsorge prüfen.

Ein weiterer Punkt des Koalitionsvertrags ist die Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile, ein Vorschlag, der ursprünglich von Olaf Scholz eingebracht wurde. Wie hoch diese Deckelung ausfallen wird, ist noch offen.

Reformdruck in der Pflege

Die Diskussion um die Zukunft der Pflegefinanzierung zeigt den enormen Reformdruck im deutschen Pflegesystem. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es 2023 bereits 5,69 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland – ein Anstieg von über 140 Prozent seit 2009. Gleichzeitig fehlen Fachkräfte: Rund 85 Prozent der Pflegebedürftigen werden derzeit zu Hause von Angehörigen versorgt.

Die steigenden Kosten belasten nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Sozialsystem insgesamt. Schon jetzt sind viele Heimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen, da sie ihre Eigenanteile nicht mehr finanzieren können.

Ein Reformvorschlag mit vielen offenen Fragen

Friedrich Merz‘ Idee einer verpflichtenden privaten Pflegezusatzversicherung hat eine wichtige Debatte angestoßen, bleibt jedoch umstritten. Während sie langfristig finanzielle Entlastung schaffen könnte, wirft sie erhebliche Fragen zur sozialen Gerechtigkeit und praktischen Umsetzung auf. Die angekündigte Pflegereform wird zeigen müssen, ob und wie eigenverantwortliche Vorsorge stärker gefördert werden kann, ohne zusätzliche Belastungen für vulnerable Bevölkerungsgruppen zu schaffen.